Saturday, September 10, 2005

Marrakesch - Platz der Getöteten



18. September, Abend. Djemma el Fna, Marrakesch

Djemma el Fna heißt „Versammlungsort der Getöteten“.

Heute jedoch ist der Platz ein unvergleichliches Freilichtvarieté und schäumendes Sammelbecken für Schlangenbeschwörer, Wahrsager, Wunderheiler, Gaukler, Zahnausreißer, Musiker und Akrobaten. Seine ganze Sogwirkung entfaltet der Djemma el Fna, der mitten in der Medina – dem alten Stadtkern – liegt, gegen Einbruch der Dunkelheit. Dann ziehen scharenweise die Garküchenleute ein und entzünden unter lautem Getöse ihre verführerisch duftenden Feuerstellen. Jetzt beginnt der Platz zu brodeln, die Zauberbühne von Marrakesch ist frei und eröffnet ein Treiben bis tief in die Nacht. (Aus einem Reiseführer)

Wahlabend. Es ist Wahlabend in Deutschland aber hier in der Ferne kriegt man nichts davon mit. Wieder einmal stürzen wir uns zum essen in den Trubel von Djemma el Fna. Als Tischnachbarn haben wir heute ein paar Österreicher, die Tochter absolviert gerade ein Praktikum in der österreichischen Botschaft in Casablanca. Sie läd uns ein, uns zu melden, sobald wir dort sind.

19. September, Marrakesch

Während die meisten westlichen Zeitungen voll sind vom deutschen Wahlausgang, scheint sich die arabische Welt nicht dafür zu interessieren. Arabische Zeitungen berichten nur über arabische Geschehen. Selten schafft es Frankreich in die örtliche Presse.

Kopfschmuck. Wir nutzen diesen Tag in Marrakesch um noch etwas durch die Stadt zu schlendern und die Souqs zu besuchen. Ich kaufe mir eine klassische muslimische Kopfbedeckung für den Herrn. Wir verfeinern unsere verhandlungs-Strategie insofern, dass einer den ungeduldigen spielt, der weiter will und der andere den Zauderer. Es klappt, wir kriegen den Preis schnell auf ein Drittel herunter.

Außerdem lernen wir Stephan kennen. Er ist Franzose, lebt aber seit der Wende in Berlin. Er hat einen lustigen Lebenslauf und schon mit fast jedem Job sein Geld verdient. Mit ihm reden wir über das Reisen und über Deutschland. Er mag Berlin, aber an den Deutschen stört ihn ihre „Unraffiniertheit“.