Tuesday, September 06, 2005

Unmoralisches Angebot


28. September, Tanger.

Die letzten im Lande. Um 10.15 geht unser Zug nach Tanger, die Fahrt dauert etwa 5 Stunden. Unterwegs unterhalten wir uns mit einem studierten Marrokaner, der auch lange in Europa war. Im Gespräch geht es auch um den Konflikt mit Algerien und die Westsahara.

In Tanger sind wir wieder in derselben Jugendherberge wie schon zu Anfang unserer Reise. Alles kommt einem vertraut vor. Wo aber noch vor einem Monat etwa 10 Leute übernachteten, haben wir die Herberge heute für uns. Überhaupt haben wir seit Rabat praktisch keinen Touristen mehr gesehen. Man hat das Gefühl, wir wären die letzten Touristen, die das Land verlassen.

Die Rückfahrt über die Straße von Gibraltar buchen wir für den nächsten Morgen, diesmal auf einer der Superfast-Ferrys. Den Abend verbringen wir, ohne Touristen zu treffen, in den geschäftigen Straßen Tangers, das wir inzwischen sehr liebgewonnen haben.

29. September, Gibraltar

Das Schiff, das uns nach Algeciras bringen sollte fährt doch nur bis Tarifa – allerdings gibt es von dort einen kostenlosen Bustransfer. In Marokko erfährt man eben doch nur, was wichtig ist.

Zurück in Spanien – das bei der Hinreise noch einen staubigen Eindruck gemacht hatte – fallen uns jetzt zu allererst die Sauberkeit, das Akkurate und die neuen Autos auf.

Ein deutsches Paar, das eine Reise durch Europa hinter sich hat erwartet uns in Tarifa und will wissen, wie Tanger so ist. Nein – dort ist es nicht voller Touristen und Nein, eigentlich ist es total anders als hier.

Über Algeciras reisen wir weiter nach Gibraltar. Wir nehmen den Bus, auch hier ist der sehr gut bezahlbar.

Deutliche Unterschiede zu Afrika. Wenn man aber dann durch eine europäische Innenstadt läuft, werden die Unterschiede sehr schnell und sehr krass deutlich. Nicht nur die hohen Preise holen einen zurück nach Europa. Man fühlt sich außerdem wie betäubt, denn die Ruhe ist ungewohnt. Niemand spricht einen an, es gibt keine Rufe und lautstarken Angebote der Händler, keinen Versuch, einen in sein Geschäft zu ziehen. Es ist nicht der gleiche Kampf, durch eine europäische Stadt zu gehen. Das hat viele angenehme Vorteile, ist aber andererseits auch etwas schade – und ziemlich langweilig...

Nach einem Imbiss – Baguette mit Würstchen und Schmalz vom Markt – betreten wir britischen Boden in Gibraltar. Und sobald man die Piste des Flughafens der Halbinsel überquert hat – wir waren extra langsam dabei um den Start zweier Militärmaschinen abzuwarten – fühlt man sich auch schon, wie in einer echten britschen Kleinstadt.

Sogar das Wetter erscheint hier etwas britischer als in der Umgebung, denn an dem großen Felsen fängt sich des öfteren eine Wolke.

Auch hier fühlt man sich als ex-Araber wie betäubt und gleichzeitig bettelarm. Marokkaner müssten aggressiv werden, wenn sie bei diesen Preisen auch noch so viele fette Menschen sähen.

Den Abend verbringen wir in einem britischen Pub, wo wir uns sehr stilecht mit einem neuseeländischen Weltumsegler unterhalten.

Als Nachtquartier suchen wir uns einen etwas verborgen gelegenen, heruntergekommenen Basketballplatz in der Kronkolonie aus. Das Wetter ist gut genug – wir brauchen kein Zelt.

30. September, Jerez de la Frontera

Ein unmoralisches Angebot. Unser letzter Tag in der Fremde beginnt mit einer langen Nacht. Nachdem wir am Abend zunächst ungestört geblieben waren kamen zu späterer Stunde zahlreiche jugendliche Briten auf den Platz. Die meisten schauen nur verwundert zu uns herüber und grüßen kurz, andere unterhalten sich ein bisschen mit uns. In einem großen Baum scheint eine Gruppe Halbwüchsiger ihr Versteck zu haben. Dann wird es zunächst wieder ruhiger und wir schlafen beide ein.

Ein leises „Good Morning“ wecht mich etwas später – so gegen sechs (es ist noch dunkel) wieder auf.

Komischerweise erschrecke ich nicht als ich mich umdrehe – direkt neben mir hockt ein junger Asiate, vielleicht Mitte zwanzig – und grinst mich an. Nachdem ich ihm etwas verwirrt ebenfalls einen guten Morgen gewünscht habe (man will ja niemanden provozieren), frägt er mich, warum wir hier schlafen. Ich erkläre ihm, dass wir aus Marokko kommen und uns europäische Herbergen zu teuer sind. Daraufhin fragt er, ob wir Geld brauchen.

Ich verstehe nicht gleich und er sagt „45 Pfund?“. Dann frage ich warum und er sagt „Cause I like you.“ Dann verstehe ich und muss grinsen. „Nein Danke, tut mir leid.“ – „65 Pfund?“ – „Nein, keine Chance.“ Er fragt ob Martin vielleicht.... aber ich rate ihm davon ab. Daraufhin verabschiedet er sich freundlich und geht.

Als Martin später aufwacht erzähle ich ihm davon und er platzt bald, so laut wie er lachen muss. An diesem Tag fahren wir nach Jerez de la Frontera, übernachten noch einmal auf einer Wiese neben dem Flughafen und fliegen schließlich nach Hause.

Eine tolle Reise, bis zum Schluss.