Friday, October 28, 2005

Ins Landesinnere



31.8.2005 – Chefchaouen

Wir haben uns heute Morgen noch einmal mit der Gruppe von Leuten, die mit uns im Männerschlafsaal des Youth Hostels übernachtet haben besprochen. Daraufhin beschlossen wir Tanger in Richtung Landesinnern zu verlassen. Ein Franzose, der gerade von einer Tour durch das Land zurück gekommen war, empfahl uns, nach den Terrassen der Hotels zu fragen, da man dort billiger schlafen könne.

Der Busbahnhof: Chaotisches Gedränge, die Vertreter diverser Busgesellschaften schleppen die hereinkommenden an ihre Schalter. Wie immer vergleichen wir zunächst die Preise und suchen uns danach die Busgesellschaft aus. Wenn es dann nicht mehr um Geld geht sind die Menschen, die einen eben noch so sehr bedrängt haben plötzlich sehr freundlich, höflich und offen und unterhalten sich gerne mit den Reisenden. Unser Busfahrer zum Beispiel ist ein älterer Herr, der sich liebevoll um seine beiden einzigen Europäer an Bord nach Chefchaouen kümmert.

Unser Bus nach Chefchaouen ist ein älteres Modell. Die Motorhaube am Heck des Busses ist zu Kühlungszwecken ständig geöffnet. Die Fahrerkabine ausgiebig mit Wimpeln geschmückt. Wenn der Frachtraum voll ist wird überschüssiges Gepäck auf dem Dach verschnürt. Als Ausländer bekommen wir vom Personal auch bei Überfüllung meist einen Sitzplatz angeboten.

Als wir mit unserem Bus Tanger verlassen, fahren wir zunächst durch eine hügeliger werdende, austrocknende Gegend. Schafhirte treiben ihre Herden an verlassenen Bauruinen vorbei und abenteuerliche Gefährte kommen uns entgegen.

Busreisen in Marokko. Der Busbahnhof in Tetouan – auf halber Strecke nach Chefchaouen – ist eine große lärmende Halle. Kleine Kinder kommen an Bord und bieten Süßigkeiten an. Für einen Dirham kaufen wir ein Päckchen Taschentücher und kommen über Fußball auf Spanisch ins Gespräch. Der kleine Händler ist begeisterter BVB-Fan. Martin versucht sich auch auf arabisch verständlich zu machen.

Als der Bus Tetouan wieder verlässt, um auf einer engen Straße weiter in die Berge zu fahren sitzt Rashid neben mir. Er ist ein mittelalter netter Herr, der sich auf französisch mit mir unterhält. Er erklärt viel über Land und Leute. Als wir an einer Polizeikontrolle vorüberfahren, gibt der Fahrer ein Zeichen und alle Passagiere ohne Sitzplatz ducken und verbergen sich. Rashid erklärt, dass es verboten ist so viele Menschen im Bus zu transportieren, aber dass durch die Duck-Methode viel Umstand vermieden wird.

Chefchaouen in den Bergen. Schließlich erreichen wir Chefchaouen, eine kleine Stadt in den Bergen, die sich, sobald man in seine überschaubare Medina vorgedrungen ist, als wahre Schönheit entpuppt. Die wenigen Rucksacktouristen, die hierher kommen sind fast alle jünger und nach kurzer Zeit hat man jeden mal gesehen. Wir finden in der Altstadt ein wunderschönes Hotel mit Lichthof. Alle Zimmer sind belegt, aber wir folgen dem guten Rat aus Tanger und teilen uns auf dem Dach des Hauses das Matratzenlager mit ein paar Jugendlichen Reisenden aus Großbritannien. Für die Fahrt von Tanger hierher und die Übernachtung haben wir nicht mehr als 8 Euro bezahlt.

Bali erklärte kürzlich die Chinesen zum unzivilisiertesten Volk, das ihm je untergekommen sei. Vom Chaos-Faktor können die Afrikaner bisher allerdings gut mithalten. Auf der Strecke hierher nach Chefchaouen habe ich arbeiten an einem Strommast beobachtet: Ein Arbeiter hantierte auf einer Leiter und 30 andere standen am Fuß der Leiter und schauten zu.

Risiko Essen. In der Jugendherberge in Tanger haben wir wieder über die Gefahren des Essens in Marokko gehört. Ein Freund sei schwer erkrankt, habe im Fieberwahn dann seine Papiere weggeschmissen und sei irgendwo in einem städtischen Krankenhaus gelandet. Ich gebe mir fürs erste die Regel vor, nur warmes Essen zu mir zu nehmen. Heute Morgen hatte ich dann zum ersten Mal marokkanischen Tee – vollgestopft mit Pfefferminzblättern hat man das Gefühl Morast zu trinken. Der Geschmack ist super, offenbart aber auch die bestimmende Zutat: Viel Zucker.

Chefchaouen, 16.00 Uhr.

Der Muezzin. Martin und ich liegen gerade im Lichthof, als wir das erste Mal die Muezzinrufe wahrnehmen. Über den Dächern der Stadt vereinigen sich mehr und mehr blecherne Lautsprecher-Stimmen von den verschiedenen Moscheen und stimmen ihre immer gleichen Allah-Rufe an. Dann, nach wenigen Minuten wieder Stille, eine Viertelstunde später ertönt der Singsang erneut.

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